Bestandsaufnahme
und Bestandsdokumentation


Die Bestandsaufnahme und Bestandsdokumentation ist Voraussetzung und Grundlage für eine fachgerechte Renovierung und Sanierung beim "Bauen im Bestand". Der Umfang wird i.d.R. vor Beginn mit dem Auftraggeber abgestimmt und als besondere Leistung im Rahmen der Honorar-Vereinbarung berechnet. Für weitergehende und baubegleitende Untersuchungen wird häufig auch ein Restaurator oder eine Restauratorin hinzugezogen. Diese tragen ihre Befunde in die Pläne der Bestandaufnahme ein. Damit tragen sie dazu bei, dass wichtige denkmalpflegerische Erkenntnisse des Objektes früh genug in den Entscheidungsprozess des Bauherren sowie in die Planung und Kostenberechnung einfließen.

Nach kunst- und kulturhistorischem Wert des Objektes muss die Bestandsaufnahme und die Voruntersuchung nach Umfang und Genauigkeitsstufe festgelegt werden. Gemessen und gleichzeitig gezeichnet wird hierbei am Objekt . Laser, Nivelliergerät, Fadenschnüre und Senklote werden als Achsen vertikal und horizontal am oder im Objekt angebracht, um alle Verformungen maßgenau aufzunehmen und zu Papier zu bringen. Alle Erkenntnisse während des Aufmessens und der Bauausführung werden auch digital festgehalten und dokumentiert.
Bei Kirchen und Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, ist in aller Regel die Genauigkeitsstufe III im Maßstab 1:50 erforderlich. Zeichnerische Bestandsaufnahmen von Gebäuden und Gebäudeteilen können in fünf verschiedenen Genauigkeitsstufen ausgeführt werden.

(Nachfolgende Beschreibungen sind
entnommen aus
"Denkmalpflege für Architekten", Horst Thomas, Rudolf Müller Verlag.)


Bestandsaufnahmen von Gebäuden können in fünf verschiedenen Genauigkeitsstufen ausgeführt werden:


Genauigkeitsstufe I:
Aufmaß im Maßstab 1:100

Herkömmliches, idealisiertes Architektenaufmass: Schematische, jedoch vollständige Darstellung durch Skizzieren und Messen vor Ort oder anhand von Maßblattskizzen mit anschließender Übertragung in vermasste Freihandzeichnung oder Reinzeichnung. Idealisierte Darstellung des Konstruktionsprinzips, ohne Anspruch auf lagegetreue Wiedergabe von Details und späteren Umbauten.

Ergebnis: Einfache Dokumentation eines Gebäudetyps in Grundrissgliederung, Höhenentwicklung, Form und Außenerscheinung. Die Pläne sollen als Besprechungsgrundlage bei Vorplanungen dienen oder bei Renovierungsmaßnahmen, wenn die Bausubstanz nicht angegriffen ist.



Genauigkeitsstufe II:
Aufmaß im Maßstab 1:50

Annähern wirklichkeitsgetreue Wiedergabe als Grundlage für einfache Sanierungen ohne weiterführende Umbaumaßnahmen oder als Grundlage für Orts- und Stadtbildanalysen sowie für Dokumentationen auch im Rahmen der Denkmäler-Inventarisation.
Die Darstellungsgenauigkeit soll innerhalb +- 10 cm liegen. Dabei muss der konstruktive Aufbau richtig proportioniert sein. Die zeichnerische Aufnahme soll weitgehend vor Ort erfolgen. Annähernd verformungsgetreue Darstellung mit Diagonalmaß-Kontrolle ohne Einsatz optischer Messgeräte.

Ergebnis: Annähernd wirklichkeitsgetreue Dokumentation eines Baubestandes mit Feststellung des hauptsächlichen Systems. Die Pläne sollen als Kartierung restauratorischer Untersuchungen nutzbar sein.


Genauigkeitsstufe III:
Aufmaß im Maßstab 1:50

Exaktes und verformungsgetreues Aufmaß, das auch den Erfordernissen der Bauforschung genügt und die werkplanfähige Grundlage für Umbaumaßnahmen bildet. Eine geodätische Einmessung ist erforderlich. Die Aufnahme erfolgt im dreidimensionalen Vermessungssys-tem, auf das außerhalb und innerhalb des Gebäudes in allen Räumen die Detailaufnahme aufgebaut ist. Grundrisse, Schnitte und Ansichten müssen über Netzkreuze oder Passpunkte auf- oder aneinandergepasst werden können. Die Auftragungen müssen vor Ort erfolgen. Die Darstellungsgenauigkeit muss innerhalb +- 2,5 cm liegen. Wenn erforderlich, werden die gemessenen Werte mit eingetragen.

Ergebnis: Wirklichkeitsgetreue Dokumentation für Restaurierungs- und Umbauplanungen sowie für Zwecke der wissenschaftlichen Bauforschung, der statischen Sicherung und der planungsvorbereitenden Bauzustandsanalyse.


Genauigkeitsstufe IV:
Aufmaß im Maßstab 1:25 oder größer

Exaktes und verformungsgetreues Aufmaß, das den Erfordernissen der Bauforschung genügt und die Grundlage für schwierige Umbaumaßnahmen bildet.

Die messtechnischen Voraussetzungen für das verformungsgetreue Aufmaß sowie die Planinhalte entsprechen der Genauigkeitsstufe III. Die Darstellungsgenauigkeit muss innerhalb +- 2 cm liegen.
Bei höheren Anforderungen, z.B. bei Untersuchungen für die statische Sicherheit, muss die Darstellungsgenauigkeit der möglichen Messgenauigkeit bei vertretbarem Aufwand entsprechen.

Ergebnis: Großmaßstäbliche und verformungsgetreue Dokumentation für alle Zwecke der wissenschaftlichen Bauforschung, der statischen Sicherung und der planungsvorbereitenden Bauzustandsanalyse sowie bei komplizierten Umbaumaßnahmen, für Translozierungen und für Rekonstruktionen.



Genauigkeitsstufe V:
Aufmaß im Maßstab 1:25 oder größer

Verdichten von Aufmaßen III. oder V. Grades, die anspruchsvollen Fragen der Bauforschung und Bauarchäologie genügen.

Die messtechnischen Voraussetzungen für das verformungsgetreue Aufmaß sowie die Planinhalte entsprechen der Genauigkeitsstufe III. und IV. Grad. Die Darstellungsgenauigkeit muss innerhalb +- 2 cm liegen.
Bei höheren Anforderungen, z.B. bei Untersuchungen für die statische Sicherheit, muss die Darstellungsgenauigkeit der möglichen Messgenauigkeit bei vertretbarem Aufwand entsprechen. Maßstab 1: 20, Maßstab 1:10 und größer. Die großmaßstäbliche Bauaufnahme mit porträtierender Darstellung der Oberflächenbearbeitung dient in der Regel ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken.

Ergebnis: Die Genauigkeitsstufen IV und V sind die am weitesten differenzierten Stufen der Bauaufnahme. Sie genügen den höchsten Ansprüchen der wissenschaftlichen Bauforschung und zeichnen sich insbesondere durch eine hohe Aussagedichte durch porträtierende Angaben von Texten und Bearbeitungsspuren aus. Zur Werkplanfähigkeit reicht in der Regel die Genauigkeitsstufe III im Maßstab 1:50 aus. Jede weitere Differenzierung in Richtung der Stufen IV und V macht eine Weiterbearbeitung von Hand im Objekt selbst unverzichtbar.